„Ich liebe es, als erste ein neues Buch in den Händen zu halten“

Vanessa Pollack absolviert seit September ein Freies Soziales Jahr (FSJ) in der Stadtbibliothek Kamenz. Foto: Beate Diederichs
Vanessa Pollack lernt als FSJ-lerin in der Stadtbibliothek Kamenz, wie in einer Bücherei gearbeitet wird. Die 18-jährige liest gerne Jugendliteratur auf Deutsch und Englisch und lässt die Einrichtung von ihrer Kenntnis profitieren.
Kamenz. Ein geschäftiger Nachmittag in der Stadtbibliothek Kamenz. Zwei Frauen leihen Bücher und DVDs am Automaten aus. Ein Junge schmökert in einer Ecke in einem Comic. Eine Gruppe Schüler des benachbarten Gymnasiums schlendert auf der Suche nach Fachliteratur zwischen den Regalen herum. Vanessa Pollack ordnet mittendrin die Filme in den Schiebern, die nach Anfangsbuchstaben klassifiziert sind. Durch ihr Namensschild ist sie als Mitarbeiterin zu erkennen. Als einer der Jugendlichen eine Frage zur Literaturrecherche stellt, geht sie mit ihm zu dem entsprechenden Regal und zieht ein Buch heraus.
Denn Kunden zu betreuen, gehört ebenso zu ihren Aufgaben, wie Kinderbücher sowie DVDs und CDs sauber zu halten und neue Medien in den Bestand einzuarbeiten. Das Aufnehmen neu erworbener Bücher ist eine Tätigkeit, die Vanessa besonders schätzt. „Ich liebe es, als erste ein druckfrisches Buch in der Hand zu halten. Dabei überlege ich oft schon, ob ich es später ausleihen will.“ Bevor die 18-jährige das Werk ins Regal stellt, klebt sie die Signatur darauf und erfasst es im Rechner. Manchmal gehören die Neuerwerbungen zu einer kleinen Lieferung, die Vanessa Pollack zuvor von der Post abgeholt hat. Denn mehrfach im Monat bestellen Kunden bei der Bibliothek aktuelle Bücher, die sie interessant finden. Ist zu erwarten, dass auch zahlreiche andere Leser zu diesem Werk greifen, wird es geordert.
Vanessa Pollack trat ihre Stelle als FSJ-lerin im September an. Zuvor hatte sie am Lessing-Gymnasium das Abi abgelegt. „Ich lese gerne Liebesromane und Fantasy-Bücher – auf Deutsch, aber vor allem auf Englisch“, erzählt die Kamenzerin. Neben der Literatur findet sie auch die Physiotherapie interessant, hat in der Schulzeit dazu zwei Praktika absolviert. „Doch zunächst entschied ich mich fürs Bibliothekswesen. Meine Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz in dieser Branche scheiterten leider. Daher kam Plan B ins Spiel, der Freiwilligendienst.“ Die Stadtbibliothek bietet seit 2012 jährlich einen Platz für ein FSJ an – in Kooperation mit dem Landesverband für Kinder- und Jugendarbeit Leipzig als Träger. Dieser organisiert die drei Seminare im Jahr, bei denen die FSJ-ler der Branche sich austauschen. „Die jungen Leute bereichern unsere Einrichtung stets mit ihrer besonderen Perspektive auf die Literatur und durch ihre Projekte“, berichtet Marion Kutter, Leiterin der Kamenzer Stadtbibliothek. So zeugen zum Beispiel Regalbeschriftungen von der Arbeit der FSJ-ler. Auch Jugendliteratur-Expertin Vanessa wird bleibende Spuren hinterlassen: Sie entwirft eine Reihe großer Buchstaben, mit denen kleinere Kinder auf einer Magnettafel Sprüche oder kurze Sätze zusammenstellen können. Dieses haptische Puzzle soll die Mädchen und Jungen kreativ zum Lesen und Schreiben anregen. „Zudem gewinnen die sorbischen Kinder aus der Umgebung damit Sicherheit im Deutschen, das für sie ja Zweitsprache ist“, erklärt Marion Kutter.
Was wird Vanessa aus ihrem Freiwilligendienst mitnehmen? „Ich lerne, die vielseitige Arbeit von Bibliothekaren zu respektieren, die bedeutend mehr ist als herumsitzen und lesen, wie es einige meiner ehemaligen Mitschüler dachten.“ Der Kontakt mit den Kunden lehrt sie, die sich als ruhig und zurückhaltend beschreibt, aus sich herauszugehen. Im Sommer wird die junge Frau eine Ausbildung zur Physiotherapeutin beginnen und die Literatur als Hobby weiterverfolgen. „Ich bin sicher: Meine Fertigkeiten im Umgang mit Menschen, die ich hier erworben habe, werden mir auch dabei nützen. “