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Schlesischer Christkindelmarkt mit Konfliktpotenzialen

Schlesischer Christkindelmarkt mit Konfliktpotenzialen

Christkindl 2023 Helene Göpp, OB Octavian Ursu und Bäckermeister Michael Tschirch beim Stollenanschnitt zur Eröffnung des Schlesischen Christkindelmarktes am 1. Dezember Foto: Matthias Wehnert

Der Schlesische Christkindelmarkt in Görlitz ist der größte und am längste geöffnete Weihnachtsmarkt in der Region. Im Umkehrschluss hat er jedoch auch die größten Konfliktpotenziale.

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Gerd Weise vor der Lebendigen Krippe Foto: Matthias Wehnert

Görlitz. Manche Sorgen des Schlesischen Christkindelmarktes sind jährliche Dauerbrenner. Unzufriedene Geschäftsinhaber, denen Schaufenster verbaut und Kunden abspenstig sind oder steigende Kosten auf allen Seiten.

Auch die veranstaltende Görlitzer Kulturservicegesellschaft leidet. Wie auf allen Märkten bereiten zum Beispiel die hohen Gema-Gebühren Sorgen, die man für das Abspielen von Weihnachtsmusik zahlt. So gab es zum 4. Dezember eine Protestaktion großer Weihnachtsmärkte. Beim „Tag der Stille“ blieben Leipzig, Hannover, Erfurt, Magdeburg und Rostock ohne musikalische Umrahmung vom Band oder auf der Bühne – aus der Region beteiligten sich Dresden und Pirna. 
Von der Redaktion auf die Problematik angesprochen, bekundete Gerd Weise von der Kulturservicegesellschaft in Görlitz, dass er gemeinschaftliche Aktionen begrüße, aktuell der Finanzaufwand in Görlitz jedoch nicht genau einzuschätzen sei. „Das bleibt ein Dauerthema“, sagte er.

Auf Antrag der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne beschäftigt sich der Verwaltungsausschuss des Görlitzer Stadtrates Mitte Januar 2024 ohnehin mit der Finanzierung des Altstadtfestes. Dazu gehöre auch die Frage der Sondernutzungsgebühren für ansässige gastronomische Betriebe, um die es seit mehreren Jahren Streit gibt, ließ Fraktionsvorsitzender Mike Altmann die Redaktion wissen. Bürgermeister Benedikt Hummel hatte zuvor keine Notwendigkeit hierzu gesehen. Mike Altmann betont dazu am Mittwoch folgendes: „Nach allem, was ich wahrnehme, ist die Sondernutzungsgebühr nur die Spitze des Eisbergs.“ Es gehe Wirten um Wertschätzung und Augenhöhe und darum Dinge nicht auszusitzen. Bereits seit Mai 2023 sei klar, dass die Städtische Kulturservice GmbH aufgrund einer Entscheidung ihres Aufsichtsrates den Gastronomen bei den Gebühren nicht entgegenkommen kann. Mit der defizitären Ausrichtung des Marktes liege das Problem tiefer und müsse politisch entschieden werden.

„Wir Stadträte kennen aber gar keine Zahlen zum Altstadtfest“, so Altmann, der damit auch die Frage künftiger Gebühren an ansässige Gastronomen aufwirft. Der Vorwurf gelte im übrigen dem Rathaus und nicht der Kulturservicegesellschaft, die an der Verschleppung keine Schuld trage.

Hingegen musste sich diese der Forderung der Tierrechtsorganisation PETA aus dem fernen Stuttgart erwehren: „Schluss mit der ’Lebendigen Krippe’!“. Dem schloss sich die Grüne Jugend Görlitz an. „Die lebendige Krippe setzt die Tiere einer Umgebung aus, die von Lichtern, Menschenmengen und ungewohnten Geräuschen geprägt ist. Für die betroffenen Tiere bedeutet dies unbestreitbaren Stress und die Entfernung aus ihrer vertrauten Umgebung“, stand im Kern der Kritik zur Schafherde am Rathaus. Der Niederschlesische Kurier fragte zur Einordnung bei Tierparkdirektor Dr. Sven Hammer nach. Entwarnung: „Die Tiere sind gut versorgt und veterinärmedizinisch überwacht.“ Besucherkontakte seien die Tiere aus dem Tierpark ohnehin gewöhnt, betonte der Zoochef.

Schwieriger ist für Gerd Weise als Prokurist der Kulturservicegesellschaft da schon, dass er selbst aktives Mitglied der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) ist und in dieser Eigenschaft privat auch die nachmittäglichen Angebote im „Bethlehemshof“, dem Innenhof des Rathauses, mitorganisiert. 

In einem gemeinsamen offenen Brief hatten die evangelischen Stadtgemeinden der Christus-, der Hoffnungs-, der Innenstadt-, der Kreuz- und der Versöhnungskirchengemeinde mit Rückendeckung der Katholiken dem FeG-Pfarrer Eugen Böhler Polarisierung vorgeworfen. Eine Zusammenarbeit sei auf dem Christkindelmarkt nicht mehr möglich, bekundete Kreuzkirchenpfarrer Jörg Michel als Wortführer. „Daher wird beim Bühnenprogramm auf dem Untermarkt auf die Mitwirkung der FeG verzichtet“, sagte er in der Sächsischen Zeitung unter anderem.

Weihnachtsfrieden und
taktische Manöver

Doch ließen sich die Gemeindepfarrer in ihrem Ärger über ihren Amtsbruder vielleicht hinreißen, sich vor einen ganz anderen Karren spannen zu lassen? Die FeG führt Gespräche mit dem Landkreis Görlitz über den Kauf der Flachsspinnerei in Hirschfelde-Rosenthal bei Zittau. Landrat Dr. Stephan Meyer käme das gelegen, um sich damit dem Problem zu entledigen, dass dort sonst eine Asylunterbringung stattfände. Wem könnte es also nützen, das Vertrauensband zwischen Kreis und FeG durch wiederholten medialen Druck zu zerreißen?

Der Gescholtene selbst mochte der Redaktion nur mitteilen, dass er sich persönlich auf dem Weihnachtsmarkt zurücknimmt und erst einmal den Weihnachtsfrieden wahren wolle. Auch am Sonntag nach der Veröffentlichung der Zeilen von Jörg Michel ging Böhler nicht auf die Vorwürfe ein, denn an diesem Tag predigte Johannes Heger, dem offenkundige politische Botschaften wesensfremd sind, für die aus Spenden und ohne Kirchensteuer finanzierte Gemeinde. Heger erinnerte unter Bezug auf die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas an die Worte Jesu, dass es leichter sei, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr ginge, als dass ein Reicher in das Reich Gottes käme. Die Geschichte des verhassten Zöllners Zachäus (Lk 19,1-10) zeige aber, dass jeder auch in Nähe der Mächtigen aus Heuchelei herausfinden könne.

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