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Welches jüdische Erbe hat eigentlich Niesky?

Welches jüdische Erbe hat eigentlich Niesky?

Daniel Breutmann (kniend rechts) bei der Verlegung von „Stolpersteinen“ mit Künstler Gunter Demnig in der Görlitzer Blumenstraße. Foto: Matthias Wehnert

Daniel Breutmann ist aus vielen historischen Projekten in Görlitz bestens bekannt. Neben der Gedenkarbeit rund um die „Stolpersteine“ hatte er zuletzt auch geholfen, Nachkommen jüdischer Görlitzer aus aller Welt am Ort ihrer Herkunft zusammenzubringen. Jüdische Spuren in Niesky sind hingegen weniger erforscht. Dies möchte er mit einer Geschichtswerkstatt nun ändern.

Niesky.
„Auf der Suche nach jüdischen Spuren in Niesky stößt man unweigerlich auf den Namen von Konrad Wachsmann, der in Niesky von 1926 bis 1929 für das Unternehmen Christoph & Unmack wirkte“, erklärt Daniel Breutmann, der sich mit einem neuen Projekt in Kooperation von Kulturbüro Görlitz, dem Museum in Niesky und dem Jugendring Oberlausitz nun in die Stadt aufmacht, „aus dem ein Teil meiner Familie stammt“, wie er gegenüber dem Niederschlesischen Kurier bemerkt.

Der Ausgangspunkt Wachsmann liegt in Niesky natürlich besonders nahe. Wachsmann hatte sich als Pionier des industriellen Bauens weltweit einen Namen gemacht. Das von ihm entworfene Direktorenwohnhaus in Niesky,
1927 im Stil der Klassischen Moderne errichtet, gilt als besonderes Zeugnis der industrialisierten, vorgefertigten Holzbauweise.

Konrad Wachsmann war aber eben auch jüdischer Herkunft. 1941 gelang ihm, über Stationen in Spanen, Frankreich und Italien, dank Albert Einstein die Ausreise in die USA. Daniel Breutmann verweist auf ein Foto, das Wachsmann mit Albert Einstein an dessen Haus in Caputh bei Potsdam zeigt und auf das Daniel Breutman bei der Onlinesuche beim United States Holocaust Memorial Museum in Washington gestoßen ist. Doch neben dem wohl prominentesten der Altnieskyer ist die Frage nach weiteren jüdischen Spuren in der Stadt schon schwieriger.
„Wer Niesky kennt, weiß um den Judenberg. Woher die Bezeichnung ’Judenberg’ jedoch stammt ist indes unklar. Niesky mit seiner Stadtgeschichte und den Anfängen der Entwicklung durch die Brüdergemeine, liefert im Ergebnis keine weiteren Treffer jüdischen Lebens. Spuren jüdischen Lebens in Niesky, verbunden mit der Ansiedlung von jüdischen Familien, sind keine zu finden“, betont Daniel Breutmann.

Das heiße jedoch nicht, dass Niesky keine Bühne für die Schatten der Jahre 1933 bis 1945 bot. Christoph & Unmack, hat etwa von der Zwangsarbeit profitiert. Das Nieskyer Unternehmen war im Dritten Reich in den Bau von KZ-Baracken verwickelt. Die Stadtverwaltung Niesky ließ zudem im Mai 1943 ein Lager für Kriegsgefangene im ’Wiesengrund’ errichten. Im April 1944 quartierte die SS 1.000 bis 1.200 KZ-Häftlinge dort ein, um sie als Arbeitskräfte der dem Krupp-Konzern angehörenden Christoph & Unmack AG zur Verfügung zu stellen. Polen, Tschechen, Russen, Franzosen und Jugoslawen waren es auch, die oftmals in der Landwirtschaft eingesetzt waren, hat der Geschichtsverein Kamenz die Ereignisse recherchiert. Der Einsatz von Zwangsarbeitern aus dem Lager Wiesengrund lässt zuweilen vermuten, dass es auch jüdische Häftlinge gegeben hat. 1945 wurden die Häftlinge nach Brandhofen bei Wittichenau evakuiert. Brandhofen war der Name des Dorfes Spohla von 1936 bis 1945. Einige der Schicksale von Häftlingen finden sich jedenfalls dokumentiert.

Familienerinnerung gefragt

Eine Geschichtsspurensuche, ein Workshop am 7. November von 16.00 bis 17.30 Uhr im Konrad-Wachsmann-Haus Niesky, soll die vorhandenen Erkenntnisse einmal zusammenfassen. „Es ist eine Einladung ins Gespräch zu kommen, noch vorhandene Geschichte und Geschichten aus der Zeit von 1933 bis 1945 wiederzugeben und zu teilen“, so Daniel Breutmann, der die zeitliche Nähe zum 9. November, dem Tag der Pogrome von 1938, bewusst gesucht hat.

Er und Museumsdirektor Jan Bergmann-Ahlswese werden quasi Impulsreferate halten, in denen sie ihre bisherigen Erkenntnisse darlegen, selber jedoch neugierig auf Erinnerungen anderer sind. So hätten sich unter anderem für den 7. November bereits Diakonissen angemeldet. Bestimmt würde es manche Nieskyer geben, in denen Familienerlebnisse überliefert seien, die es im Kontext der Geschichtswerkstatt wert seien, festgehalten zu werden um das Bild der Geschichte weiter zu vervollständigen. Bei freiem Eintritt könnten sich an der Debatte Erwachsene wie Jugendliche beteiligen.

Till Scholtz-Knobloch / 29.10.2022

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