Von der Ehre, die ganze Region zu vertreten

Florian Oest hielt in der vergangenen Woche seine erste Bundestagsrede. Foto: Deutscher Bundestag / Tilo Strauss / photothek
Während Bundestagswahlkreissieger Tino Chrupalla (AfD) bereits seit 2017 im Bundestag sitzt, zog Florian Oest erstmals über die CDU-Landesliste in das neue Parlament ein, das seine ersten 100 Tage noch nicht hinter sich hat. Letzte Woche hielt Florian Oest seine erste Rede vor dem Plenum. Doch wie kommt man das erste Mal ans Mikrofon?
Berlin. „Herzlichen Glückwunsch, Florian, zu deiner ersten Bundestagsrede! ’Schneller, höher, weiter’ – für die Oberlausitz und den Landkreis Görlitz“, kündigte der CDU-Kreisverband Görlitz am 5. Juni den Mitschnitt der Rede an, die – eingebettet auf Facebook – zum Redaktionsschluss am 11. Juni 465 Abrufe erlebte. Das ist also noch ausbaufähig – auch in Sachen von 45 Likes – aber Florian Oest kann durchatmen: Er hat die Feuertaufe hinter sich gebracht.
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Die aktuelle Debatte um Grenzontrollen brachte Oest nun erstmals ans Rednerpult, Grüne und Linke hatten „Grenzkontrollen stoppen“ auf die Tagesordnung setzen lassen. Für die Arbeitsgemeinschaft Inneres der Union habe dies bedeutet, 20 Minuten Redeanteil mit vier Rednern, einen davon von der CSU, abzudecken, berichtet Florian Oest in der Redaktion und erläutert, dass zunächst einmal dem AG-Vorsitzenden zukommt, vor das Mikro des Bundestages zu treten, danach dem Obmann. Und dann sei intern sein Name gefallen. Die Herkunft vom Dreiländereck mit Polen und Tschechien legte dies gewissermaßen nahe. Er habe dazu die nötige Expertise „und dann bin ich gefragt worden. Auf der einen Seite will man zügig die erste Rede im deutschen Bundestag hinter sich bringen auf der anderen Seite sagt man natürlich auch nicht Nein“, zumal das Thema zu ihm natürlich genau passe. Aber kann man sich auch selbst ins Spiel bringen? Florian Oest sagt selbstbewusst: „Das kann man auch. Es ist letztlich eine offene Diskussion in der AG.“ Aber der zeitliche Ablauf müsse gut überlegt sein. „Wenn die AG am Dienstag tagt, kann es sein, dass eine Rede bereits für Mittwochmittag vorzubereiten ist.“
Man sei schlecht beraten, dann ohne aktuelle Zahlen zu hantieren, er habe sich solche zu Grenzkontrollen besorgt, bei der eigenen Zeitplanung dann aber auf die Nennung verzichtet, weil Medien diese sowieso liefern. Ihm sei also die spontane Unterfütterung der Argumente als solche wichtiger gewesen. Die telefonische Anfrage aus seiner CDU-AG, ob er als Redner zur Verfügung stünde, habe ihn übrigens gerade beim Ausflug mit den Kindern im Tierpark erreicht. „Das war das Brückentagswochenende mit Himmelfahrt.“ Eine inhaltliche Absprache mit den Kollegen sei auch bei ihm als Neuling nicht nötig und üblich: „Wir sind frei gewählte Abgeordnete“, verwirft er die Frage danach und stellt klar: „Mein Redemanuskript hat im Vorfeld niemand aus der Fraktion gelesen oder geprüft.“ Mit bestandener Feuertaufe sollte nach seiner Sicht eine Routine dann auch bei künftigen Reden nicht eintreten: „Es ist der deutsche Bundestag! Und Sie haben die Möglichkeit, für die Menschen aus der Region zu sprechen, für Sachsen, für die eigene Fraktion aber auch die Landespartei. Selbstverständlich ist man da sehr nervös. Aber es ist eben vor allem auch eine Ehre, der Region oder den Themen eine Stimme zu geben“ – dies gelte von seinem Themenprofil natürlich gerade bei der aktuellen Kombination Innere Sicherheit und Verkehr, wozu sich noch sein Schwerpunkt Forschung gesellt. Überzeugungsarbeit in Görlitz selbst ist damit übrigens auch nicht vom Tisch. Bei der jüngsten gemeinsamen deutsch-polnischen Stadtratssitzung kritisierte Rafal Gronicz als polnischer Bürgermeister scharf, dass Rückstaus des Verkehrs über die Stadtbrücke infolge neuer Kontrollen zunehmend den Verkehrsfluss lähmen und zu innerstädtischen Fahrten von zwei Stunden Dauer führen können. In der Pressemitteilung der deutschen Stadtverwaltung war dieser Komplex zur „Herausforderung“ herumtergedimmt und beide Bürgermeister seien sich einig, dass eine „nachhaltige europäische Lösung“ nötig sei. Anders gesagt: West-Görlitz will sich einer Fundamentalkritik nicht anschließen, letztlich verteidigt gerade auch Florian Oest den neuen deutschen Weg. Gronicz hatte hinzugefügt, dass das Kontrollgeschehen an der Stadtbrücke eigenartig anmute, wenn Fußgänger munter die Stadtbrücke passieren könnten. Zur Entgegnung benötigt aber auch ein Florian Oest mehr als fünf Minuten. Die weiter latente europäische Debatte dazu könnte Florian Oest alsbald wieder ans Mikrofon in Berlin führen.