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Wie die Via Regia Teil der Seidenstraße wird

Wie die Via Regia Teil  der Seidenstraße wird

Johannes Rasim gönnt sich nach dem Abstecher auf seiner Reise von Böhmen über Görlitz nach Westfalen an der Neiße noch einen abendlichen Tee. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Was hat die deutsche Romantik oder Böhmes Mystik Flüchtlingen aus Afghanistan oder Syrien zu bieten und umgekehrt? Johannes Rasim hat einige Ideen und zündet diesbezüglich in Kürze den Turbo.

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Mit einer Taschenlampe bewaffnet begab sich Johennes Rasim kurz vor Schließung des Friedhofs bei seinem Görlitztrip noch zur Grabstätte von Jacob Böhme. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz / Werl. Eigentlich war der gebürtige Oberschlesier Johannes Rasim aus Werl in Westfalen mit einer Rückkehr nach Oberschlesien in eine Sackkasse geraten. Dolmetscheraufträge in Polen und Tschechien ernährten ihn mehr schlecht als recht. Der Wandler zwischen den Welten, Hobbyhistoriker und Literaturkenner führte zuletzt den „Wangener Kreis“ – die Exilorganisation der vertriebenen schlesischen Künstler mit Sitz im Allgäu, die 2023 nun auch offiziell abgewickelt wurde. Doch genau der Zuschnitt aus diesem Vereinsprofil dürfte nun eine zeitgemäße Neuauflage finden. Mit dem Massenzustrom aus dem Nahen Osten und der Ukraine war Rasim nach seiner Rückkehr in der 30.000-Einwohner-Wallfahrtsstadt im Kreis Soest  in kurzer Zeit Schnittstelle für alle Neuankömmlinge. Er war Deutschlehrer, Helfer und Inspirator.

Und da Rasim stets das Exzentrische als ganz normal denkt, sprach er den westfälischen Außenpolitikexperten und in Denkwitz bei Bautzen geborenen Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz zu Visionen an. Nach zwei langen Gesprächen vermittelte dieser Rasim begeistert an den Unterhaltungsgiganten Michael Mühlenbrock (z.B. Let’s dance), der sein Prominentenregister zog. Ob Udo Lindenberg oder der Münsteraner Götz Alsmann – die beiden und viele weitere Stars seien sichere Kantonisten, um einem neuen Verein „Kunst im Exil“ gleich ordentlich Glanz und Aufmerksamkeit zu verleihen, wobei die Bild natürlich berichten werde.

Kurzum: Johannes Rasim kann wohl bald im Gewand moderner Fluchterfahrung da weitermachen, wo er allein mit Schlesiern und dem Wangener Kreis aufgehört hatte. Letzte Woche nahm er nun von Tschechien kommend den Schlenker über Görlitz, dem er als Schlesier eine dauerhafte Rolle im Konzept zusprechen mag. Es ist schon stockdunkel und klirrend kalt, aber er möchte unbedingt noch mit der Redaktion zum Böhmegrab. Auf dem Spaziergang plätschern die Gedanken.

Als Pilotprojekt plant er jetzt eine erste Literaturfahrt zu Orten der Inspiration, die nun eben auch Kunstschaffende Ukrainer oder Afghanen mit der mitteleuropäischen Denke vertraut machen sollen und Symbiosen hervorbringen dürfen.
Rasim knüpfte Kontakte am Schloss Dux (Duchcov) in Böhmen, wo Giacomo Casanova seine Memoiren schrieb. Köthen müsse mit ins Boot, Eichendorffs Geburtsort Lubowitz und natürlich Görlitz. Beiläufig spricht er von einen 23-jährigen Flüchtling aus dem Orient mit siebenjähriger Berufserfahrung als Schumacher! Welche philosophischen Gedanken sind diesem nach Schumacher Böhme in Görlitz wohl zu entlocken? Neben Dux stand für Rasim Prag wegen Rilke auf dem Programm, Oberplan (Horní Planá) wegen Adalbert Stifter, Krumau an der Moldau (Cesky Krumlov) wegen Egon Schiele und der Sterbeort von Goethes wohl letzter Liebe Ulrike von Lewetzow.

Aber: „In der Tiefe meines Herzens bin ich eben ein Schlesier, deswegen sind mir Eichendorff und Jacob Böhme so enorm wichtig“, will er mehrfach auf Görlitz setzen, das ihm als perfekte Schnittmenge im deutsch/schlesisch-polnisch/ böhmischen Dreieck erscheint. Und da die Seidenstraße einst über Byzanz und die Krim an Osteuropa anschloss, wäre ja der kulturelle Brückenschlag über die Ukraine auch an die Via Regia im 21. Jahrhundert folgerichtig.

Da nicht jeder Mensch über die Kultur zur Reflexion der Seele fände, sieht der begeisterte Extremsportler aber auch andere Perspektiven im Strom einer quasi entstehenden NGO. Der Snowboarder spielt nun mit dem Wortspiel aus der Königsdisziplin – dem Boardercross. Anders geschrieben „Boarder“ (Grenze) und Cross (kreuzen) könnte man also auch sportliche Grenzüberschreitungen anbahnen. Die Förderung von Talenten aller Art sei denkbar. Er räumt aber ein, dass er diese sportliche Idee noch nicht mit Michael Mühlenbrock besprochen habe. Es müsse jedenfalls nicht allein Bildende Kunst, Literatur oder Musik sein. So etwa auch die ’Kunst der Sprache’ an sich. Als Dolmetscher schwebt Rasim etwa vor, die Lust auf Deutsch über die Übersetzung aus der Literatur zu wecken. Vielleicht mit der Görlitzer Volkshochschule? Er schenkt mir einen Erzählband mit Weisheiten von der Seidenstraße. Da ist sie wieder: Die Verlängerung der Via Regia, die Romantik, Mystik oder Moderne in beide Richtungen transportiert.

Till Scholtz-Knobloch / 14.01.2024

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