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Als mit der Kohle noch Kohle gemacht wurde

Als mit der Kohle noch Kohle gemacht wurde

Stolz auf seine neue Präsentation: Piotr Arcimowicz, Chef des Lausitzmuseums Foto: Klaudia Kandzia

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Tagebau und Kohleverstromung Turów Foto: Matthias Wehnert

Die Tagebaugeschichte im deutschen Teil der Lausitz geht ihrem Ende entgegen. Welche Faktoren Unterschiede dies- und jenseits der Lausitzer Neiße ausmachten oder warum polnische Bergbaubegriffe bei Görlitz erst neu „erfunden“ werden mussten, erklärt in Kürze eine Ausstellung im Lausitzmuseum auf polnischer Seite von Görlitz (Zgorzelec).

Region.
Die Braunkohleförderung prägte die Geschichte der Lausitz seit dem 18. Jahrhundert maßgeblich. Eine Sonderausstellung im Lausitzmuseum auf polnischer Seite von Görlitz erzählt deren deutsche und polnische Nachkriegsgeschichte. Die Eröffnung ist derzeit zur Barbarafeier am 4. Dezember geplant. „Noch im 17./18. Jahrhundert hat man Braunkohle als Düngemittel genutzt und in der Region noch nicht als Brennstoff verwendet. Die chemischen Eigenschaften waren damals noch nicht genau untersucht worden“, berichtet Piotr Arcimowicz, der Leiter des Lausitzmuseums, das gleich hinter der Altstadtbrücke am Neißeufer in der ulica Daszynskiego 15 liegt. Erst mit der Aufklärung hätten die Menschen begonnen, sich unter anderem auch auf für Steine und den Boden zu interessieren und deren Eigenschaften erforscht. „Die Menschen entdeckten nun auch in unseren Breiten, dass Braunkohle sehr gut als Brennstoff dient, aber sie hatten sich noch den Naturgewalten zu erwehren“, so Arcimowicz, denn „ hier in der Lausitz lag die Kohle nur wenige Meter unter der Oberfläche. Es reichte, ein paar Mal kräftiger mit einem Spaten zu stoßen, und schon kam die Kohle zum Vorschein. Manchmal aber kam es ebenso vor, dass durch einen Blitzschlag Brände entstanden. Es gab auch die Legende, dass die Schweden, die in der Nähe von Reichenau (Bogatynia) ihr Lager aufschlugen, durch ihre Lagerfeuer ein Kohleflöz in Brand gesetzt hätten. Dieser soll dann mehrere Monate lang gebrannt haben“, sagt er. In Sachsen, Thüringen und im Rheinland entstanden ab etwa 1780–1800 erste kleine Tagebaue. Der Rat zu Zittau beauftragte 1779 den Freiberger Schichtmeister Mehner mit der Kohlesuche bei Kleinschönau (Sieniawka) und Olbersdorf. Bei Türchau (Turoszow) wurde am 26. Mai 1800 ein Braunkohlenflöz festgestellt; 1802 nahm bei Oppelsdorf (Opolno-Zdrój) ein Braunkohlentiefbau den Betrieb auf. Um 1830 gab es bereits mehrere kleine Gruben um Zittau. Eine entscheidenden Impuls für den Bergbau gab es mit dem Einzug der Eisenbahn und durch die deutsche Einigung 1871. Die technologische und die industrielle Entwicklung führte zu Landflucht und dem Anwachsen der Städte.

„Eine unserer Schautafeln zeigt, dass 1871 es nur acht Städte in Deutschland mit mehr als 100.000 Einwohnern gab, 1913 waren es bereits 48“, erklärt Arcimowicz. Er und sein Team zeigen auf einer Etage die Geschichte des Bergbaus seit den Anfängen bis 1945. Die polnische Geschichte wird separat in zweiten Stock des Museums erzählt. „Das Thema ist so umfangreich, dass wir es nicht einmal auf diesen beiden Etagen vollständig abdecken können. Als wir mit der Arbeit begannen, wuchs sie uns fast über den Kopf. Immer wieder tauchten neue Themen auf, die für uns völlig überraschend waren.“

Die Geschichte der Grube „Stadt Görlitz“ bei Kohlfurt (Wegliniec) war von zentraler Bedeutung für die Energieversorgung der Stadt Görlitz. Wêgiel (polnisch Kohle) ist also auch im Polnischen namensgebend für den Eisenbahnknotenpunkt geblieben. Die Grube „Stadt Görlitz“ war Teil eines größeren Projekts, das Grube, Brikettfabrik und Kraftwerk umfasste. „Man weiß, dass die Stadt Görlitz Eigentümerin der Grube und des Kraftwerks war, aber für uns gab es hierbei eine interessante Entdeckung, nämlich, dass der Direktor der Grube ein Pole, Tomislaw Morawski, war. Weil er so gut gearbeitet hat, war er während des Ersten Weltkriegs vom Militärdienst befreit worden, um dieses Bergwerk zu leiten. Aber, was noch spannender ist, dieser aus Großpolen (AdR.: damalige preußische Mark Posen) stammende Mann war ein bekennender polnischer Patriot. Als Polen durch den Ersten Weltkrieg seine Unabhängigkeit erlangte, reiste er sofort nach Polen, engagierte sich dort in der Bergbauindustrie.“ Morawski gab ein deutsch-polnisches Bergbauwörterbuch heraus. Dieses hatte zum Ziel, in die durchs Deutsche dominierte Bergbausprache polnische Entsprechungen einzuführen. Auch dieses Werk ist in der Präsentation zu sehen.

Ausgestellt wird auch eine Tischplatte aus Braunkohle, „diese wurde für Forschungszwecke poliert und lackiert. Sie sieht ganz gewöhnlich aus, aber das Holz ist 18 Millionen Jahre alt“, so Arcimowicz. Anhand der Bergbaugeschichte wird der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands, aber auch der Niedergang durch den verlorenen Ersten Weltkrieg veranschaulicht. „Durch den Verlust eines Teils Oberschlesiens, Elsass-Lothringens und durch die Suche nach Ersatzquellen fiel der Fokus auf Braunkohle. Davon hatte Deutschland viel“, so Arcimowicz. Not macht erfinderisch und so wurden neue Methoden im Tagebau entwickelt: „Diese großen Maschinen, mit denen man leicht an die Braunkohle gelangt.“ Erst die „Klima-Politik“ hat den großflächigen Abbau, der noch lange in der Niederlausitz überdauerte, in Frage gestellt. Eine Ausnahme im großflächigen Lausitzer Braunkohleabbau auf polnischer Seite gibt es jedoch bekanntlich. Turów basiert darauf, dass die Grube Reichenau bereits angelegt war, die Lagerstätte war hier nicht nur oberflächennah, sondern besonders groß und ergiebig – also wirtschaftlich leicht erschließbar. Zudem bot sie Anschluss an das RGW (COMECON)-Netz mit Energieexportoption in die DDR. Die Präsentation im Lausitzmuseum ist fast fertig, was noch fehlt ist ein elektronischer Führer durch die Ausstellung in deutscher Sprache, aber auch daran wird eifrig gearbeitet.

Klaudia Kandzia/tsk / 25.10.2025

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