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Winfried Stöcker hält Hof gegen Ineptokratie

Winfried Stöcker hält Hof gegen Ineptokratie

Winfried Stöcker zeigte sich einmal in seinem Görlitzer Jugendstil-Kaufhaus der eher älteren Stadtgesellschaft mit manch steilen Thesen. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Der aus Rennersdorf stammende Görlitzer Kaufhausinvestor Winfried Stöcker ist so oft nicht in Görlitz. Letzten Freitag ermöglichte er einmal eine ganz enge Tuchfühlung – und das im nach wie vor nicht abgeschlossenen Herzensprojekt Jugendstilkaufhaus.

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Winfried Stöcker nahm sich viel Zeit beim Signieren seines Buches. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz. Das Titelbild dieser Ausgabe zeigt es nicht – auch an den Seiten des Kaufhauses zwischen den Säulen sowie seitlich zum Podium drängen sich erwartungsfroh 450 Menschen, die zunächst diszipliniert in der Schlange stehen, um sich ein Autogramm im kostenlos von Winfried Stöcker ausgeteilten 254-Seiten-Buch „DDR 2.0: Rot und Grün führen uns in die Katastrophe! Wählt sie ab und beendet die Gesinnungsdiktatur“ geben zu lassen und ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Stöcker bleibt gelassen, immer freundlich, spürt an diesem Abend aber auch kein Contra. Weitenteils versammelt sich hier die Ü50-Generation, die noch eine andere Republik kannte und sich nicht ausreden lässt, dass viele heutige Verhältnisse ganz und gar nicht normal und vor allem politikgemacht sind – also keinesfalls unabwendbare Folge internatio-naler Verwerfungen seien.'

Winfried Stöcker scheint das Publikum mit Instinkt geahnt zu haben. Eine Projektion zeigt eine grüne, eine rote und eine gelbe Paprika – Überschrift: „Die Farben politischer Inkompetenz“. Er geht noch einen Schritt weiter und diagnostiziert eine Ineptokratie, also eine Gesellschaftsform, in der die Unfähigsten der Unproduktivsten gewählt werden, sich jedoch mit Gütern und Dienstleistungen belohnen lassen.

Und so führt er unter anderem auch aus, dass ein nicht historisches Fenster im obersten Geschoss des Kaufhauses in seiner Renovierungsplanung dazu führe, dass der Denkmalschutz sich querstelle. Seine Haltung scheint eindeutig. Ich biete etwas und wenn’s am Ende am Fenster scheitert, dann ist das eben so. Er kenne solche Torheiten ja zu Genüge aus seiner neuen Heimat Lübeck.

Er übernahm den Flughafen der Hansestadt, doch die örtliche Verhinderungspolitik entdeckte schnell Molche, die einen Landebahnausbau verhinderten. Das alles wird vom Publikum mitgelitten wie die große Liebe unter Zuschauern von Rosamunde-Pilcher-Filmen. Das Unvermeidbare naht. Winfried Stöcker verkauft dabei aber keinesfalls seine Seele. Im Hinblick auf seinen Alleingang in Sachen der Entwicklung eines alternativen Corona-Impfstoffes hält er fest, der Staat habe seiner Auffassung nach schon das Recht, im Zweifel eine Impfpflicht zu verkünden. Das sei auch in der AfD-Zentrale nicht gerne gehört worden, der er zuletzt eine Millionenspende zukommen lassen hat. Ein paar Besucher gehen an dieser Stelle sogar. Tragisch sei vielmehr „die Pseudo-RNS“, die zu Gesundheitsschäden bis zum Tode geführt habe. Er spricht von einem „kriminellen Vorgang, weil eine bewährte konventionelle Impfung verfügbar war, aber diskriminiert wurde.“ Die Europäische Medizinagentur EMA stelle Ärzten eben Drittmittel zur Verfügung und dann müsse der Millionengeldtransfer eben gerechtfertigt werden. Weil das alles komplett anders als im Fernsehen klingt, hält Stöcker den Spannungsbogen. Dabei ist er eigentlich kein großer Rhetoriker, beginnt Sätze immer wieder mit der Formulierung: „Und dann habe ich...“, oder „Und dann haben wir...“, wenn es um seine Pharmagründung Euroimmun geht. Amüsant sind daneben manche erstaunliche Wechsel, etwa von Quotenfrauen oder Massenasyl zur richtigen Zubereitung von Marmeladen – einem seiner Hobbys. Der Zuhörer erfährt, wie er in Rennersdorf heute eine hohe Erdbeergeschmacksintensität ermögliche oder wie hübsch seine Frau Porzellaneier bemale.

Nach seinem Vortrag wird er dann aber auch zum Kaufhaus noch etwas konkreter. Er freue sich, dass die Stadtverwaltung wirklich helfe und er dort gute Freunde habe – Schwierigkeiten mit dem Denkmalschutz spüre er aus Dresden. Es wäre doch dumm, wenn Dresden die Chance in Görlitz verkommen lasse. Mit einem funktionalen Sparprogramm könne man jedoch der Stadt kein gescheites Kaufhaus ermöglichen. Die beiden obersten Etagen müssten schon eine Chance haben attraktiv gestaltet zu werden. Mit 78 Jahren habe er sicher noch zwölf Jahre den nötigen Biss dazu.

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in Besucher am Rande: Bertram Oertel feierte seinen 80. Geburtstag

Ein illustres Sympathisantenpublikum lockte Winfried Stöcker zu seinem Görlitzer Vortrag an – darunter etwa auch den Görlitzer Jungunternehmer Stefan Menzel oder den Bautzener Baulöwen Jörg Drews (Hentschke Bau). Zwei Tage vor Bertram Oertels 80. Geburtstag verkniff sich Winfried Stöcker hingegen, ihm einen verfrühten Glückwunsch auszusprechen, zollte diesem aber schon einmal seinen Respekt. Oertel hatte 2009 mit Altstadtwirten das Kneipenfestival „Görlitz rockt“ begründet, ist vor allem aber durch die Kulturschrift „Stadtbild“ bekannt. Mehr über ihn in der kommenden Ausgabe des Niederschlesischen Kuriers.

Till Scholtz-Knobloch / 16.02.2025

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